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Arthur Dangel - vol XI: Liederzyklen

Arthur Dangel (*1931)
Liederzyklen op. 87, 99, 101

Rose-Ausländer-Zyklus op. 99 (2004/05)

  1. Dennoch Rosen
  2. Wir träumen Schlaraffenland
  3. Die Finsternis wächst
  4. Im Leuchtfeuer
  5. Hereingefallen sind wir
  6. Keine Gedichte
  7. Aufatmen
  8. Ich bin Kain
  9. Nichts tröstet
  10. Ich lausche
  11. Ich eine kleine Blume
  12. Morgens eine Nachtigall
  13. Im Sommer
  14. Jenen verlorenen Zeiten
  15. Ich sammle meine Verluste
  16. Aus der Sonne
  17. Ich danke
  18. Das Weiß einer Säule
  19. Ich bin schon lange verschollen
  20. Die Tage des Schweigens
  21. Ich war ein Vogel

Heine-Zyklus (Zur Ollea) op. 101 (2005)

  1. Maultiertum
  2. Symbolik des Unsinns
  3. Hoffart
  4. Wandere ! (Guter Rat)
  5. Winter
  6. Altes Kaminstück
  7. Sehnsüchtelei
  8. Helena
  9. Kluge Sterne
  10. Die Engel

Turrini-Zyklus op. 87 (2000)

  1. Im Namen der Liebe
  2. Am Ende des Horizontes
  3. Ein Blick auf dich
  4. Im Kaffeehaus
  5. Wenn du mich anrufst
  6. Wie oft
  7. Am Ende des Liebens
  8. Der Spur deines Mundes
  9. Wir werden der Nacht
  10. Ich habe das Gefühl
  11. In dieser Liebe
  12. Wenn du gehst
  13. Wenn ich dich anrufe
  14. Ich habe
  15. Reich mir die Hand mein Leben
  16. Ich sehe einen Film
  17. Die Sehnsucht
  18. Heute nacht
  19. Ich möchte
  20. Eine Schallplatte hängt

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ARS 38 473
Qualität: DDD
Aufnahme: 06.-07.07. und
13.-16.11.2006
Veröffentlicht: 05.01.2008
EAN: 4260052384732
Spieldauer: 63:33

 

Dominik Wörner, Bassbariton
Simon Bucher, Klavier (1-31)
Felicitas Strack, Klavier (32-51)

Rose-Ausländer-Zyklus op. 99

Die Gedichtsammlung "Ich spiele noch" von Rose Ausländer ist 1987 erschienen, kurz vor ihrem Tod am 3. Januar 1988. Der Zyklus hat die drei Abteilungen "Ich eine kleine Blume", "Meine Toten schweigen tief" und "Der Traum lebt mein Leben zu Ende". Aus der 40 Gedichte umfassenden Abteilung "Ich eine kleine Blume" sind 21 Gedichte ausgewählt und vertont für die Besetzung Bariton und Klavier.
Der Lieder-Zyklus ist entstanden auf Wunsch des Sängers Dominik Wörner, dem der Zyklus auch gewidmet ist.

Heine-Zyklus ("Zur Ollea") op. 101

Im 4. Band seiner Heine-Gesamtausgabe hat Klaus Briegleb u.a. den Gedichtzyklus "Zur Ollea" kommentiert. Dieser Kommentar soll hier zitiert werden.
Zur Ollea (nach 1844).
Titel nach Olla Potrida, dem spanischen Nationalgericht, Gemisch aus Fleisch, Wurst und Gemüse. Entstanden mit Ausnahme von VI wahrscheinlich verstreut nach 1844; den Zyklus stellte Heine für die 3. Aufl. der "Neuen Gedichte" 1851 zusammen, nachdem Campe offenbar, nach Austausch des "Wintermärchens" gegen "Ratcliff", den Band zu schmal fand. Heine bezeichnet in Briefen an Campe am 15. u. 21.10.1851 die Texte als "Füllwerk", versammelt aus Stücken, die er für den soeben gedruckten "Romanzero" nicht verwenden wollte. Den Worten seines Briefes vom 21. Oktober nach scheint Heine zur Ergänzung der "Neuen Gedichte" zunächst in seinen Papieren "einige Blätter" mit anderen Gedichten gesucht zu haben, fand sie aber nicht; er müsse sich daher mit den "Ollea-Texten" begnügen - Heines Bemerkungen sollten aber nicht, wie es in Editionen zu lesen ist, zu einem abwertenden Vorurteil gegen die ,Splitter' verleiten.

Turrini-Zyklus op. 87

Peter Turrini ist Dramatiker. Seine zahlreichen Schauspiele werden weltweit aufgeführt. Es findet sich unter seinen Werken aber auch ein 69 Gedichte umfassender Gedicht-Zyklus unter dem Titel "Im Namen der Liebe" (1993/99). Aus dieser Sammlung von Gedichten sind im "Turrini-Zyklus" 19 Gedichte aus-gewählt und vertont worden. Das 20. Lied "Eine Schallplatte hängt" ist das 40. Gedicht der ebenfalls 69 Gedichte umfassenden Gedicht-Sammlung "Ein paar Schritte zurück" (Gedichte 1980).

 


REZENSION

Durchdacht

Obwohl das Kunstlied im zwanzigsten Jahrhundert des Öfteren totgesagt worden ist, haben Komponisten bis heute versucht, ihm frisches Leben einzuhauchen. Nach Beiträgen von Hanns Eisler und Hermann Reutter ist in jüngster Zeit Wilhelm Killmayer mit Zyklen nach Hölderlin, Heine, Mörike und Sappho hervorgetreten. Zu nennen ist auch Arthur Dangel, geboren 1931 in Schwäbisch Gmünd, der wie Helmut Lachenmann in den Fünfzigern an der Stuttgarter Musikhochschule bei Johann Nepomuk David Komposition und bei Jürgen Uhde Klavier studiert hat. 1957 wurde Dangel in Freiburg Schüler von Wolfgang Fortner.
Drei neue Zyklen Dangels für Bassbariton und Klavier nach Gedichten von Peter Turrini, Rose Ausländer und Heinrich Heine sind nun auf CD erschienen. Die kunstvoll ausgearbeiteten Vertonungen bestechen durch minutiös durchdachten Textbezug und eine reiche harmonische, formale und motivische Klangimagination. Die hervorragende Einspielung mit dem jungen Bassbariton Dominik Wörner und den Pianisten Simon Bucher und Felicitas Strack zeigt Dangel neben Killmayer als einen der bedeutendsten deutschen Liedkomponisten seiner Generation. Die ebenso ausdrucksstarken wie intelligenten Interpretationen leben nicht zuletzt von Wörners souveräner Beherrschung seiner nuancenreichen Stimme.

müg , Stuttgarter Zeitung, 26.8.2008

Auf Schatzsuche abseits sicherer Pfade

"Das längst von allen Avantgardisten totgesagte Kunstlied lebt!", schreibt Bassbariton Dominik Wörner im Begleitheft zur CD, auf der er Kompositionen von Arthur Dangel eingespielt hat: Drei Liederzyklen mit ungewöhnliichen Texten und persönlichen Bezügen.
Der mit etlichen Preisen ausgezeichnete, in Korntal lebende Komponist Arthur Dangel hat Verse von Rose Ausländer, Heinrich Heine und Peter Turrini für Klavier und Bassbariton vertont. Der Rose-Ausländer-Zyklus (op. 99) ist in den Jahren 2004/2005 auf Wunsch des Sängers Dominik Wörner entstanden und diesem auch gewidmet. Der Heine-Zyklus "Zur Ollea" (op. 101) stammt von 2005. Schon etwas älter ist der Turrini-Zyklus: Ihn hat Arthur Dangel anno 2000 geschrieben. Aufgenommen worden sind die Lieder 2006 in der Immanuelskirche in Wupppertal. Am Klavier begleitet wird Wörner, der in Stuttgart Kirchenmusik studiert hat, von Simon Bucher (Rose-Ausländer- und Heine-Zyklus) und Felicitas Strack (Turrini-Zyklus).
Leicht zugänglich ist sie nicht, die Musik auf dieser CD. Stabile Dreiklangharmonik oder eingängige Rhythmen gibt es nicht. Hier geht es um anderes: Um emotionale Intensität, die ihre Wirkungsmacht aus dem Zusammenspiel von Sprache und Klangparametern schöpft, wobei dieses Zusammen mehr fasst als die Addition der beiden Ausdrucksmittel. Es schwingen gleichsam gefühlte Zwischen- und Obertöne mit, die nicht direkt durch Stimme oder Klavier angeschlagen werden.
Dieses Einfangen nicht ausgesprochener Inhalte ist schon ein Merkmal von Rose Ausländers Lyrik. Ihre Gedichtsammlung "Ich spiele noch", so steht es im Begleitheft zu lesen, ist 1987 erschienen, kurz vor ihrem Tod am 3. Januar 1988. Viele Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus, die sie im Ghetto erlebt hat, sind in ihren Zeilen, die oft hermetischen Charakter haben. Der Komponist findet dazu eindringliche musikalische Wendungen, welche Empfindungen als Klang wahrnehmbar machen und den Gehalt der schillernden Zwischenräume zwischen den Worten greifbarer machen. Fast konkret im Sinne traditioneller Klangmalerei wird Dangels Tonkunst, wenn Ausländer beschreibt, wie sie dem Monolog des Mondes lauscht, dessen gelbe Silben in ihren Kelch tropfen. Schwebende Klänge begleiten ihre Zeilen "Ich war ein Vogel, eine Feder ... ". Wem diese intuitive Wahrnehmung zu spekulativ ist, für den hat Arthur Dangel literaturhistorische Hintergründe sowie seine kompositorische Arbeitsweise im Booklet detailliert erläutert.
Anders ist die Herangehensweise bei der Vertonung der Verse von Heinrich Heine, deren Name sich auf Olla Potrida, das spanische Nationalgericht bezieht - ein Eintopf aus Fleisch, Wurst und Gemüse. Textsplitter sind es, die Heine unter diesem Titel zusammenfasst. Ohne Partitur braucht es freilich ein sehr geübtes Gehör, um die abgedruckten Notentextfragmente im gesamten Verlauf wahrzunehmen, der ebenfalls auf konventionelle Harmonik verzichtet. Beliebig sind die Klänge dabei keinesfalls. Musik wie Gesang haben indes überwiegend deklamatorischen Charakter; Sprechgesang fließt mit ein. Dies korrespondiert mit der Auffassung, Gedichte, wie die "Symbolik des Unsinns", bänkelsängerartig anzulegen. Viele andere Lieder dieses Zyklus' besitzen ebenfalls diesen Geist, der Heines bissiger Ironie entgegenkommt.
Peter Turrini ist Dramatiker und hat darüber hinaus den Gedicht-Zyklus "Im Namen der Liebe" (1993/99) sowie "Ein paar Schritte zurück" (1980) verfasst. Dangel wählt für ihre Vertonung klassische Formen wie zum Beispiel Rondo und Lied. Abermals ist die Verifizierung jedoch ohne Partitur und geschulte Ohren nicht ohne weiteres zu leisten. Ähnlich wie bei den beiden anderen Zyklen illustrieren die Töne manchmal Szenen - zum Beispiel durch Trillern beim Klingeln des Telefons. Dann wieder transportiert die Musik die emotionalen Zustände dessen, der gerade· spricht - gleichzeitig mit Worten, oder im Wechsel mit diesen.
Insgesamt bietet die CD ein Potenzial für Entdeckungen. Wie bei einer echten Schatzsuche müssen allerdings neugierige Musikliebbhaber zuerst beherzt sicheres tonales Terrain und stabile Rhythmusstrukturen verlassen.

Gabriele Müller, "Strohgäu extra", 6.2.2008

Frisch·gepresst: Ernste Musik aus dem Kreis

[...] Trotz Arnold Schönberg, Alban Berg, Hanns Eisler oder Wolfgang Rihm: Das Kunstlied zählt im Allgemeinen nicht eben zu den Lieblingsgattungen entschieden moderner Komponisten. Anders Arthur Dangel. Der häufig an synästhetischen Aufgabenstellungen arbeitende Tonsetzer und frühere Deutschlehrer aus Korntal hat auf vorangegangenen CDs bereits LiederzykIen vorgelegt, die Lyrik von Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler und Ingeborg Bachmann, ja sogar die einzigen überlieferten Verse Franz Kafkas, aufgreifen. Als "Volume XI" einer Dangel-Werkreihe sind nun seine Liederzyklen zu Gedichten von Rose Ausländer, Heinrich Heine und Peter Turrini erschienen, großartig gesungen vom mit dem Komponisten befreundeten Bassbariton Dominik Wörner, den Simon Bucher und Felicitas Strack am Flügel begleiten.
Die Dangel eigene Verbindung von Expressivität und formaler Strenge zeichnet auch in den neuen Liedern seinen motivorientierten Zugriff auf Lyrik aus - selbst der viel vertonte Heine klingt bei ihm wie ein Zeitgenosse. Dangels kompositorischer Intellekt übersetzt jene emotionale Energie in Musik, die in Gedichten zwischen den Zeilen steckt. [...]

Steffen Pross, Ludwigsburger Kreiszeitung, 20.6.2008