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Interview


Herr Wörner, was verschafft dem Publikum die Ehre, dass Sie in Bad Nauheim singen?

Dominik Wörner: Der persönliche Kontakt zu Frank Scheffler war ausschlaggebend. Wir haben gemeinsam in Stuttgart Kirchenmusik studiert und eines meiner ersten Engagements als noch "nebenamtlicher" Sänger war damals unter dem Dirigat von Frank bei seinem Kirchenchor im schwäbischen Musberg. Es freut mich sehr, dass wir nach längerer Pause, in der wir beide erfolgreich eigene Wege gegangen sind, nun wieder einmal gemeinsam musizieren werden.

Sie sind ein Barock-Kenner. Was bedeutet der "Joshua" für Sie?

Wörner: Händels Oratorien sind wunderbare Werke. Leider sind die meisten davon in Deutschland eher unbekannt geblieben. Joshua war aber zu Händels Zeit eines seiner erfolgreichsten Oratorien. Erzählt wird die Geschichte von Josua, der nach dem Tod Moses mit dem israelitischen Volk in das gelobte Land Kanaan einzieht. Die Rolle des Caleb ist eine für den Bass sehr dankbare mit Arien und Rezitativen über das ganze Werk verteilt, gleichsam wie ein roter Faden der Handlung kommentiert er jeweils das Geschehen.

Müssen Händels Oratorien in altenglischer Sprache gesungen werden?

Wörner: Das ist letztendlich eine Entscheidung des Dirigenten. Früher wurde leider beispielsweise der Messias fast immer auf Deutsch aufgeführt, heutzutage hat man erkannt, dass die Originalsprache viel besser passt. Englisch ist daher auch bei uns quasi Standard geworden. Je näher wir am Original sein wollen, desto mehr Details gilt es allerdings zu berücksichtigen. Meiner Meinung nach lohnt sich aber dieser Aufwand immer.

Sie haben mehr als 80 CDs und DVDs und zahlreiche Rundfunkproduktionen aufgenommen. Was ist für Sie wichtiger: die perfekte Konserve oder das immer neue Erlebnis der Live-Aufführung?

Wörner: Sergiu Celibidache, der berühmte rumänische Dirigent, hat einmal konstatiert, dass er Aufnahmen grundsätzlich ablehnt, da seiner Meinung nach nur die Konzerterfahrung ein echtes, einmaliges und wahrhaftiges Erlebnis darstellt. Das ist eine sehr extreme Position, die aber unterstreicht, dass eine Konzertatmosphäre im besten Fall nicht durch eine Aufnahme zu ersetzen ist. Ein Werk exemplarisch einspielen zu können ist dennoch eine wichtige und in der Regel sehr reizvolle Aufgabe. Musik wird dokumentiert und steht Musikbegeisterten jederzeit zur Verfügung. Oft sind die äußeren Bedingungen für eine Aufnahme auch viel besser als eine Konzertsituation. Laute Huster, vorbeifahrende Autos oder ein schlechter Sitzplatz können ein besonderes Konzerterlebnis empfindlich stören. Im vergangenen Juni beim Bachfest Leipzig hat mich im Hotel ein bachbegeisterter Laie aus den USA angesprochen, er würde mich fast jeden Tag auf DVD hören und sehen, denn er besitze alle bisher erschienenen DVDs der Bachstiftung St. Gallen, die zurzeit das Gesamtwerk J. S. Bachs aufnimmt. Das war eine schöne Rückmeldung. Darum plädiere ich für ein "sowohl als auch", ein klares Ja zum Konzertbesuch genauso wie zu einer Aufnahme.

Wer ist Ihr Lieblingskomponist?

Wörner: Eindeutig Johann Sebastian Bach. Ich bin ja auch Kirchenmusiker.

Gibt es ein Ensemble, mit dem Sie am liebsten arbeiten?

Wörner: Ja, mit dem Bach Collegium Japan unter Masaaki Suzuki. Es hat als eins von weltweit vier Ensembles alle Bach-Kantaten auf historischen Instrumenten eingespielt. Suzuki hat unter anderem bei Ton Koopman studiert und sozusagen den Japanern Bach ans Herz gelegt. Obwohl nur ein Prozent der Japaner Christen sind, lieben alle Bach.

WETTERAUER ZEITUNG - In den Konzertsälen der Welt - Von Hannah Prosch art472,482080


Interview mit Dominik Wörner anlässlich der Aufnahme von Schuberts Schwanengesang mit Christoph Hammer (Ars Produktion)

Warum haben Sie ausgerechnet den Schwanengesang von Schubert aufgenommen, da gibt es doch schon so viele Aufnahmen?

Mich faszinieren generell die letzten Werke eines Komponisten. Beim Schwanengesang hat mich die zukunftsweisende Modernität der Musik fasziniert, die speziell in der Heine-Gruppe die Liedkunst revolutioniert hat. Die Rezeptionsgeschichte dieser Lieder hat mich zudem erstaunt, nämlich zu sehen, wie am Beispiel „Schwanengesang“ eine Tradition entstehen konnte, diese Lieder als Zyklus aufzuführen, die vermutlich so von Schubert gar nicht gewollt ist mit einem Titel, der nachweislich ja gar nicht von Schubert stammt. Dann gibt es leider immer noch nicht viele Aufnahmen mit einem Hammerflügel, schon gar nicht auf einem Originalinstrument aus dem Todesjahr Schuberts.

Waren Ihnen die vielen Vorgänger Ansporn, Vorbild oder Last auf der Seele?

Grundsätzlich höre ich mir wenig Aufnahmen an, da ich versuche, mir beim Studium anhand des überlieferten Notentextes eine eigene Version selbständig zu erarbeiten. Eine Aufnahme kann da im Vorfeld des Einstudierens sehr behindern, weil man sich davon zu so einem frühen Zeitpunkt leicht beeinflussen lassen kann. Zwei Dinge stören mich generell in der Schubert-Tradition an der Aufnahme seiner Lieder: Erstens ist ein moderner Steinway nach der Erfahrung mit Hammerflügeln aus meiner Sicht das falsche Instrument. Damit scheiden die meisten Aufnahmen für mich aus, um Vorbild oder Ansporn zu sein und sind damit eher Last, Ballast einer wenig um Authentizität bemühten Tradition. Zweitens kenne ich bis jetzt keine Aufnahme für tiefere Stimmen, in der die Tonartentranspositionen einheitlich erfolgen. Selbst ein unbestritten großer Liedsänger wie Fischer-Dieskau, der in seinem Schubert-Buch dies für tiefere Stimmen unbedingt empfiehlt, hält sich selbst in seinen Aufnahmen leider nicht daran.

Was ist an Ihrer Einspielung nun das Besondere, was unterscheidet sie von anderen?

Es gibt vier entscheidende Unterschiede, die diese CD besonders machen: Zuerst einmal kenne ich keine Einspielung, auf der auf einer CD alle drei Schwanengesänge von Schubert versammelt sind, nämlich die beiden Originale von 1815 (Schwangesang D 318) und 1822 (Schwanengesang D 744) und den berühmt gewordenen aus dem Todesjahr. Dann kenne ich, wie gesagt auch keine Aufnahme, die die Tonartentranspositionen konsequent um das gleiche Intervall -  in unserem Falle eine kleine Terz -  nach unten vornimmt, was von uns meines Wissens das erste Mal so gehandhabt worden ist. Somit bleiben die Tonartenrelationen erhalten. Dann hatten wir das große Glück, diese Aufnahme an einem originalen Conrad-Graf-Hammerflügel mit noch originaler Belederung  aus dem Todesjahr Schuberts 1828 machen zu dürfen. Das ist der authentische Klavierklang, den Schubert kannte und für den er komponierte. Und schließlich ist die Anordnung und Zusammenstellung der Lieder auf der CD sicherlich noch etwas Besonderes: Den „Schwanengesang“ von Schubert gibt es ja so nicht autorisiert in der Form, wie er dann schließlich berühmt wurde – der Titel der Sammlung stammt von seinem Verleger Tobias Haslinger und wurde als die „letzten Blüthen seiner edlen Kraft“ damals 1829 in der Presse angekündigt. Mich hat stutzig gemacht, dass seither eine Tradition entstanden ist, diese Lieder quasi als Zyklus aufzuführen wie bei der Winterreise und der Schönen Müllerin auch, obwohl dies nachweislich nicht der letzte Wille Schuberts war. Man hat diese 13 Lieder zusammen mit der Taubenpost – eine Dreingabe, die Schuberts Bruder Ferdinand zu dem Manuskript der Rellstab- und Heine-Gruppe offensichtlich dazugelegt hat - manche sagen, um die Unglückszahl 13 zu vermeiden – veröffentlicht und schon war das Schicksal dieser Lieder sozusagen besiegelt. Ich habe das Autograph und den Erstdruck genau studiert und beispielsweise festgestellt, dass es von Schubert keine Nummerierung wie bei den anderen Sammlungen gibt. Er hat die Lieder nur nacheinander aufgeschrieben, es ist also keineswegs gesagt, dass diese handschriftliche Reihenfolge der letzte Wille sein sollte. Stärkstes Indiz dafür, dass es sich beim „Schwanengesang“ gar nicht um einen Zyklus, bestenfalls um eine Sammlung handelt, ist die Tatsache, dass Schubert die Heine-Gruppe zwei Monate vor seinem Tod dem Leipziger Verleger Heinrich Probst als selbständige Gruppe anbot. Diese verschiedenen Erkenntnisse haben mich dazu bewogen, mir einige Freiheiten zum gängigen Kanon der Reihenfolge zu gewähren. So verwende ich  bei der Heine-Gruppe die ursprünglich vom Dichter intendierte literarische Reihenfolge, die mit Fischermädchen beginnt und mit Atlas endet und die mich auch dramaturgisch wesentlich mehr überzeugt. Weiterhin habe ich die Rellstab-Gruppe um ein weiteres Lied, das einzige zusätzliche Rellstab-Lied, welches vollständig überliefert ist, nämlich „Herbst“ D 945, ergänzt, dabei das letzte Lied „Abschied“ vorgezogen – es erklingt auf der CD nach „Ständchen“. Der Bruch von „In die Ferne“ zu „Abschied“ wird dadurch vermieden, den ich schon immer etwas grotesk fand. Den Rahmen der CD bilden die beiden originalen Schwanengesänge, die Mitte wird mit „Taubenpost“ und „Sehnsucht“ D 636, der vermeintlichen Antwort auf die Frage aus Taubenpost „kennt ihr sie ? – sie heißt: die Sehnsucht“, gebildet.

Kann man sagen, Sie haben in allen Aspekten so historisch-kritisch und authentisch wie möglich gearbeitet?

Auf jeden Fall habe ich immer das Autograph und den Erstdruck zu Rate gezogen bei der Diskussion über verschiedene Lesarten, mit der Wahl des Hammerflügels konnten wir authentischer nicht sein. Als Aufnahmeraum haben wir einen Kammermusiksaal gewählt, der dem Charakter einer Schubertiade entspricht. Zusätzlich habe ich im Sitzen aufgenommen, eine Musizierposition, welche in der Sepiazeichnung des Moritz von Schwind anlässlich einer Schubertiade überliefert ist: Schubert am Klavier, sein Lieblingssänger Michael Vogl sitzt unmittelbar daneben. In vielen Liederabenden habe ich diese Sitzposition erprobt und sie als ideale Basis für eine gute Balance mit dem Hammerflügel empfunden.

Sie haben noch die beiden originalen Schwanengesänge eingesungen - warum, wie kamen Sie darauf, warum hört man die sonst so selten?

Bei der Untersuchung der Frage nach dem Titel „Schwanengesang“ stieß ich im Deutsch-Verzeichnis aller Schubert-Lieder auf diese beiden Originale. Es sind zwei einzelne Lieder, ein Strophenlied des 18-jährigen aus dem Jahre 1815 und ein durchkomponiertes des reiferen Schubert von 1822. Leider bekommt man sie in der Tat fast nie zu hören. Im Zweifelsfall wird eben doch lieber der berühmte Schwanengesang aufgeführt.

Weshalb Schubert auf dem Hammerflügel ?

Naja, es war schließlich das Instrument, welches Schubert kannte, für das er komponierte, welches ihm vorschwebte als Ideal. Ein Beispiel, welches den Unterschied zum modernen Flügel sehr gut veranschaulicht, ist das Lied „Erstarrung“ aus der Winterreise: Der moderne Steinway lässt dem Pianisten keine Wahl, er muss mit una corda die Triolen der rechten Hand dämpfen, um einen halbwegs überzeugenden pianissimo-Klang zu erreichen, dies oft auf Kosten der Basslinie, die dann zu weich klingt oder alles klingt zu laut und der Sänger hat Mühe mit der Balance. Was passiert beim Hammerflügel ? Die rechte Hand des Pianisten klingt auf Anhieb filigran, leicht und transparent, eben pianissimo, während das sonore Bassregister für die nötige Kontur der Melodie links sorgt und das alles ohne una-corda-Trickserei. Das Stück erklärt sich quasi von selbst durch das Spielen auf dem Hammerflügel. Solcherlei Erlebnisse gibt es zuhauf, weshalb die Diskussion Hammerflügel oder moderner Flügel in Sachen Schubert für mich schon längst entschieden ist.

Die Stücke sind ja im Original für höhere Stimme geschrieben - das heißt, Sie mussten transponieren. Stimmen dann die Tonartenrelationen noch? Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Die Stücke werden den Studierenden ja schon gerade bei transponierenden Noten so entstellt zur Verfügung gestellt, dass von den Tonartenrelationen nichts mehr übrig bleibt, die aber wesentlicher Bestandteil der Komposition sind und beim Transponieren nicht einfach unterschlagen werden sollten. Einzige Ausnahme ist hier Bärenreiter. Der Verlag versucht in neueren Editionen genau diesen Fehler, der seit dem 19. Jahrhundert gemacht wurde, wieder zu korrigieren. Ich halte mich in dieser Aufnahme genau an die Regel, alle Stücke um das gleiche Intervall zu transponieren. Überdies ist das Transponieren ja von Schubert selbst auch überliefert, z.B. für seinen Lieblingssänger Vogl. Bärenreiter war zum Zeitpunkt unserer Aufnahme noch nicht fertig mit dem neuen Band mit Schwanengesang. Aber mein Pianist ist Gott sei Dank des Transponierens mächtig, da musste ich keine Transposition in Auftrag geben.

Haben Sie nicht auch schon anderes von Schubert aufgenommen?

Meine erste Aufnahme von Schubert-Liedern war mit der „Winterreise“ 2006, übrigens am gleichen Instrument wie jetzt auch bei der Schwanengesang-Produktion, die meine zweite mit Schubert-Liedern ist, beide mit Christoph Hammer am Flügel.

Was sind Ihre nächsten Aufnahmeprojekte, was kann man noch von Ihnen an neuem Alten erwarten?

Gerade habe ich eine Aufnahme mit der Schönen Magelone von Johannes Brahms an einem historischen Johann-Baptist-Streicher-Flügel von 1870 mit Holzanhang zusammen mit Masato Suzuki gemacht. Das gleiche Flügel-Modell hat Brahms in seiner Wiener Wohnung gehabt, ideal für die Magelone-Kompositionen, die bekanntlich 1869 vollendet wurden. Die Produktion soll im April 2011 erscheinen.

CD UMSCHAU in TOCCATA: ALTE MUSIK AKTUELL | 51/2011 S.28

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