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Hugo Wolf und der Wiener Jugendstil

Alban Berg (1885-1935)
Jugendlieder

  1. Spielleute (L. Passarge nach H. Ibsen) – 1902
  2. Augenblicke (R. Hamerling) – 1904
  3. Sehnsucht III (P. Hohenberg) – 1902
  4. Schlummerlose Nächte (M. Greif) – 1903
  5. Grenzen der Menschheit (J. W. von Goethe) – 1902

Arnold Schönberg (1874-1951)

  1. Gruss in die Ferne (H. Lingg) o.Op. – 1900
  2. Warnung (R. Dehmel) op.3,3 – 1899
  3. Wenn sich bei heilger Ruh (S. George) op.15/12 – 1908
  4. Am Strande (anonym) – 1909
  5. Der verlorene Haufen (V. Klemperer) op.12/2 – 1907

Franz Schreker (1878-1934)

  1. Sommerfäden (D. Leen) op.2/1 – 1901
  2. Überwunden (anonym) o.Op. – 1897
  3. Das feurige Männlein (A. Petzold) o.Op. – 1915
  4. Spuk (D. Leen) op. 7/4 – 1900
  5. Ballade "Die glühende Krone" (*) (F. Schreker)
    aus der Oper "Der ferne Klang" (1901-10)
    in der Klavierfassung von Alban Berg (1907)

(*) Weltersteinspielung in der Klavierfassung von Alban Berg


Hugo Wolf (1860-1903)
Sechs Lieder nach Eduard Mörike

  1. Lied eines Verliebten – 14. März 1888
  2. Im Frühling – 8. Mai 1888
  3. Storchenbotschaft – 27. März 1888
  4. Bei einer Trauung – 1. März 1888
  5. Zur Warnung – 25. Februar 1888
  6. Abschied – 8. März 1888

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ARS 38 475
Qualität: DDD
Aufnahme: 8.-11.7.2006
Veröffentlicht: 01.04.2009
EAN 4260052384756
Spieldauer: 61:18

Dominik Wörner, Bassbariton
Simon Bucher, Klavier

 


REZENSION

Der Aufbruch der "Jugend"

Ausgerechnet Hugo Wolf äußerte um die Jahrhundertwende, das Ausmaß an Liedern und Liederabenden sei „in neuester Zeit geradezu epidemisch geworden“; insofern entbehrt es nicht jeder Ironie, ihn auf dieser CD mit dem Liedschaffen des „Wiener Jugendstils“ zu konfrontieren. Neben wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gründen hatte die Übermacht des Lieds im Wien um 1900 einen anderen Grund – das allmähliche Ausreizen der Dur-Moll-Tonalität machte einen Text als Form stiftendes Element für die musikalische Gestaltung elementar wichtig. Die Komponisten der Wiener Schule etablierten eine Art der Liedkomposition, die in ihrer formalen Ausgerichtetheit auf das textliche Element eine neue Radikalität erlebte. In mancherlei Hinsicht war die Textvertonung Schönbergs und seiner Schüler hierbei an Hugo Wolf geschult – jenem Koloss der Liedkomposition, von dem man sagt, er konnte Tage damit verbringen, die metrische Struktur eines Gedichtes in den passenden Vortragsrhythmus zu übertragen.
Es ist eine große Leistung des Bassbaritons Dominik Wörner, eine kleine Auswahl des Liedreichtums um 1900 auf dieser CD zu präsentieren; er tut dies mit einer unglaublichen affektiven Dringlichkeit, einer beeindruckenden, wohlklingenden Stimme und präziser Artikulation.
Dabei steht man dieser Aufnahme anfangs nicht ganz ohne Misstrauen gegenüber: Ein ansehnliches, aber etwas schwülstiges Cover, bedruckt mit dem plakativen Titel „Hugo Wolf und der Jugendstil“. Was – die Frage muss erlaubt sein – ist das, musikalischer Jugendstil? Eine Antwort auf diese Frage bietet der Begleittext zwar nicht, die CD verschont einen dafür aber auch von der befürchteten Kitsch-Interpretation. Im Gegenteil: Die Aufnahme legt den Blick auf völlig rechtschaffene Weise frei auf das Moment der „Jugend“. Hochexpressiv singt sich Dominik Wörner durch die Lieder Schönbergs, Bergs, Schrekers und eben Wolfs; er wird hierbei von Simon Buchers spannungsgeladenen und straffen Klavierspiel großartig in Szene gesetzt. Die beiden Musiker bewegen sich auf einer beeindruckenden Intensitätsebene, die großen Eruptionen werden aber meist unterdrückt. Während die Interpretation durch diese geschmackvolle Beschränkung sehr viel an Substanz gewinnt, evozieren Wörner und Bucher gleichsam das Bild einer fiebrigen Zeit, in der elementare musikalische Umwälzungen direkt vor der Tür stehen.
Die anfängliche Skepsis weicht so einer immer stärker werdenden Begeisterung für die Qualitäten der jungen Musiker. Die Einspielung entpuppt sich als eine der viel zu seltenen Exemplare, die – nicht zuletzt aufgrund des einnehmenden Klangs – dazu einladen, sie unmittelbar wieder anzuhören.

Kritik von Martin Andris,  Klassik.com, 18.07.2009