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Ich sehe dich in tausend Bildern

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)

Sonate B-Dur op. 65,4

1. Satz: Allegro con brio

Aus dem Oratorium "Elias" op. 70

Nr. 14: "Herr Gott Abrahams, Isaaks und Israels"
Nr. 37: "Ja, es sollen wohl Berge weichen"

Sonate B-Dur op. 65,4

2. Satz: Andante religioso

Aus "Zwei geistliche Lieder" op. 112

Nr. 2: "Der du die Menschen lässest sterben"

Sonate B-Dur op. 65,4

4. Satz: Allegro maestoso e vivace

Hugo Wolf (1860-1903)

Gebet: "Herr, schicke was du willst"

Joseph G. Rheinberger (1839-1901)

Aus "Zwölf Charakterstücke" op. 156

Nr. 5: Vision

Othmar Schoeck (1886-1957)

Aus "Drei geistliche Gesänge"

Nr. 2 "Der Herr ist mein Hirte" (Psalm 23)

Max Reger (1873-1916)

Aus "Zwölf Stücke" für Orgel op. 59

Nr. 9: Benedictus

Zwei geistliche Lieder op. 105

Nr. 1: "Ich sehe dich in tausend Bildern" (Novalis)
Nr. 2: "Meine Seele ist still zu Gott" (Psalm 62)

Johannes Brahms (1833-1897)

Präludium und Fuge g-moll WoO 10

Vier ernste Gesänge op. 121

Nr. 1: "Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh"
Nr. 2: "Ich wandte mich und sahe an alle"
Nr. 3: "O Tod, wie bitter bist du"
Nr. 4: "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete"

Ich sehe dich in tausend Bildern
Produktion:
Dominik Wörner, Andreas Gräsle

Qualität: DDD
Aufnahme: 27.-29.08.2001
Veröffentlicht: 2003
Spieldauer: 64:22

 

Dominik Wörner, Bariton
Andreas Gräsle, Orgel


REZENSION

Aus einem Guss - Bassbariton Dominik Wörner und Organist Andreas Gräsle
haben ihre erste CD "Ich sehe dich in tausend Bildern" eingespielt


Transparent, ständig ineinander übergehend und sich auflösend, wehen Klänge durch den Raum. Mystisch und ein wenig wie nicht von dieser Welt. Bisweilen vermag das Ohr Orgel und Stimme kaum auseinanderzuhalten. Domink Wörner setzt seine Stimme mit Bedacht ein wie ein Instrument. In seiner Interpretation von Max Regers Vertonung des Gedichtes "Ich sehe dich in tausend Bildern" bleibt er ganz bei sich, spürt der intensiven Farbnuancierung nach.
Das Novalis-Zitat haben Dominik Wörner, Bassbariton, und Andreas Gräsle, Orgel, auch als Titel Ihrer CD gewählt. Was da lebendig wird, ist das persönliche Gespräch zwischen Mensch und Gott in unterschiedlichen Stimmungen, mit verschiedenartigen Stimmen. Und daran kann man sich nicht satt hören! Denn die beiden Künstler haben eine gelungene Auswahl an Juwelen romantischen Repertoires getroffen und nehmen sich ihrer mit aparter Musikalität an. Ohne exaltierten Pathos, schlank, frei von Schmalz wird musiziert. Was an Leidenschaften mitschwingt, lassen sie zwar ganz nah an sich heran, bleiben aber immer Herren ihres Mitgenommenseins. So sehr sie die romantische Harmonik, ihre Dichte an Ausdruck mit Genuss auskosten, verlieren sie sich doch nie im Wohlklang, behalten immer das Ziel vor Augen.
Reizvoll, wie Komponisten einander gegenüber gestellt werden, zwischen denen einerseits eine starke Verbundenheit steht, die andererseits in verschiedene Richtungen weisen. Ebenso überzeugt das Konzept der Übertragung des Orchesters auf die Orgel (Bearbeitung: Andreas Gräsle) bei den Stücken von Brahms und Mendelssohn Bartholdy in einer Weise, die der kammermusikalischen Haltung Rechnung trägt. Der so geschaffene intime Rahmen räumt einen hohen Grad an Innerlichkleit, Freiheit und Flexibilität ein und hat durchaus seine Berechtigung. Wie sehr sich das auszahlt, kann man hören. Feinfühlig gehen die beiden Musiker aufeinander ein, loten empfindsam alle Abstufungen aus. Als eine - lebendige Einheit - deren Stauen, Drängen, Retardieren wunderbar organisch daher kommt. Derart verschmelzend gelingt es ihnen, Gänsehaut zu erzeugen mit den unheilschwangeren Achtelbewegungen in "Und es gehet dem Menschen wie dem Vieh", die etwas Unabwendbares bekommen.
Dominik Wörners Stimme packt einen mit dem ersten Ton und lässt einen nicht mehr los in ihrer unglaublichen Präsenz. Samtig, voller Glut und frappierend wandlungsfähig. Auf jede einzelne Silbe wird Sorgfalt verwendet, jeder Doppelpunkt ist zu hören. Makelloses Legato. Der Gewinner des Internationalen Bach - Wettbewerbes 2002 überzeugt in der Verbindung von intelligent gestaltetem Text und vorzüglicher Linienbildung. Aufmerksam im Kleinen, aber immer das Gesamte im Blick.
Andreas Gräsle steht ihm in nichts nach. Eindrucksvoll gestaltet er die subjektive, subtile Musik, lässt ihr Zeit, ihre Kraft zu entfalten. Versiert werden klangmalerische Elemente, Modulationen und Chromatik behandelt.
Wie Brahms "Vier ernste Gesänge" hier zu hören sind, das ist überwältigend. Brilliant in Duktus und Färbung. Welch ein Schmerz, welch beklemmende Grabesstimme! Ja, schal und herb schmeckt das, wenn Dominik Wörner dem Tod sein "wie bitter bist du" entgegenschleudert. Dann tritt er zurück und die beschwingte Unbekümmertheit des Menschen "der gute Tage und genug hat" (im Kanon mit der Orgel) wirkt beinahe trotzig. Oder sarkastisch. Und schließlich: "Oh, Tod, wie wohl tust du". Wie eine Liebkosung.
Nach seinem Hadern mit Gott in den alttestamentlichen Texten schließt Brahms dann doch mit der berühmten Passage aus dem Korintherbrief und in der eleganten, würdevollen Interpretation der beiden Musiker sind diese wunderbaren prophetischen Worte bei ihnen bestens aufgehoben. So spannend, so voller Andeutungen, so berührend! Präziser Ausdruckswille gepaart mit Fingerspitzengefühl stehen dieser Klangwelt ausgezeichnet.
Als "Gebilde, deren Poesie man, ohne die Worte zu kennen, verstehen würde" beschreibt Robert Schumann die Vertonungen von Brahms. Wenn so ausgereift musiziert wird, bestimmt!

Katrin Pischetsrieder,  "die Kirche", Evangelische Wochenzeitung von Berlin, 17.10.2004